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Das Reußische Waldtheater „Heldendank“

Eine Publikation des Freundeskreises Stadtgeschichte, Gestaltung R. Knoll,

Text und Bilder Bernd Rotter (2017)

 

„Waldfee:

Gesegnet sei der schlichte Bau,

Gesegnet von der Waldesfrau,

Steh´ fest in Wetter, Not und Graus,

Und halte alle Stürme aus!

 

Göttin der Kunst:

Ja wahrlich es ist Sturmeszeit,

Und angstvoll manche Herzen schlagen,

Doch ist die Stunde nicht mehr weit,

Wo stolz wir Siegeskränze tragen.

Dann wird ein Jubelruf vom Rhein,

Vom Belt bis zu den Alpen sich erheben:

Lieb Vaterland magst ruhig sein,

Deutschland wird ewig, ewig leben!“

 

(Die Regimentskapelle der 96er beginnt zu spielen; Waldfee und Göttin der Kunst gehen langsam ab.)

 

Dies waren die letzten Verse zur Eröffnung des Reußischen Waldtheaters „Heldendank“ am 25. August 1918. Der Hofschauspieler Max Richard Thomas hatte dieses stimmungsvolle Vorspiel „Natur und Kunst“ eigens zu diesem Zweck verfasst. Es sollte die Versöhnung der Waldgeister, die sich durch die Menschenansammlung in ihrem Frieden gestört fühlten, mit der Idee des Waldtheaters, das dem Wohle der Kriegsopfer dienen sollte, darstellen.


Der Oberpostschaffner Karl Weise hatte die Idee, ein mittels Spenden finanziertes Freilichttheater zu gründen. Als reines Wohlfahrtsunternehmen sollten die Erträge ausschließlich den Kriegsblinden sowie bedürftigen Kriegshinterbliebenen und –waisen zugute kommen. In seiner Nebentätigkeit leidenschaftlicher Heimatstückeschreiber, Laientheaterspieler, Regisseur und Organisator eines volkstümlichen Laienschauspiel-kunstvereins hatte Karl Weise schon vor der Entstehung des reußischen Waldtheaters bei vielen Aktivitäten der heimatlichen Volks- und Theaterkunst auf sich aufmerksam gemacht.

Seine Idee hatte er bereits im November 1917 bei einer persönlichen Audienz beim damals regierenden Fürsten Heinrich XXVII. Reuß vorstellen dürfen. Aufgeführt werden sollte sein neues Bühnenstück „Der Bruderkrieg“. Das Manuskript hatte er ebenfalls im November 1917 dem Spielleiter des Reußischen Theaters, Georg Thies vorgelegt und um Beurteilung über die Machbarkeit einer Aufführung des Stückes gebeten. Da dieses Stück eine Anzahl von Massenszenen beinhaltet, schlug Thies am 09. Februar 1918 vor, die Aufführung doch auf eine Freilichtbühne zu verlegen.

Einem mit dramatischem Instinkt begabten Bühnenliebhaber wie Karl Weise, eröffneten sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten im „Grenzland der Bühnenkunst“. Die Voraussetzungen zur Schaffung einer Freilichtbühne waren damit geradezu ideal, zumal in Deutschland zahlreiche Vorbilder von Freilichtbühnen schon entstanden waren.


Das Geraer Waldtheater „Heldendank“ sollte hinter dem Untermhäuser Friedhof entstehen, wo sich der enge Taleinschnitt zwischen Weinberg und Märzenberg erweitert und als Rothens Gußgraben bezeichnet wird. Dieser Grund, im Volksmund auch als „Mißlitzens Wiese“ bekannt, besaß die besten Voraussetzungen für eine Freilichtveranstaltung, was Bühne, Akustik, Ruhe, Natur und die Nähe zur Stadt Gera betraf. Theateranlage und Genehmigung sollten vorerst nur für ein Jahr bestehen.

Am 21. März 1918 wurde festgelegt: Es sollten eine Musikhalle, Sitzplätze, ein Erfrischungs-raum und Abortanlagen gebaut werden. Der Architekt Kurt Jahn projektierte darauf hin eine Naturtheateranlage nach den Vorstellungen des Vorstandes. Es wurde ein Holzbedarfsplan in Auftrag gegeben, wonach das Bauholz von der Reußischen Forstverwaltung Ernsee geliefert werden sollte.


Über dieses Vorhaben gab es Einwände und Anweisungen aus der Fürstlich Reußischen Forstverwaltung Ernsee, die das Vorhaben nicht ohne Bedenken hinnehmen wollte.

Im Mai 1918 bekam Oberpostschaffner Karl Weise aber doch die Berechtigung mit höchster Erlaubnis seiner Durchlaucht des Fürsten, für dass von ihm ins Leben gerufene, an der

Milbitzer Straße zu erbauende Naturtheater „Heldendank“, freiwillige Beiträge zu sammeln.

Weiter heißt es:

„Wir bestätigen hierdurch gern, dass seine Durchlaucht für die Verwirklichung dieses Planes

lebhaft interessiert und die Ausführung desselben durch Zurverfügungstellung des Waldgeländes etc. unterstützt hat.

Da die Erträgnisse des Unternehmens den reußischen Kriegsinvaliden, hauptsächlich den

Kriegsblinden zugute kommen sollen, so möchten wir auch unsererseits den Plan der Allgemeinheit zur warmherzigsten Förderung ans Herz legen.

Fürstliches Hofmarschallamt gez. Freiherr von der Hayden-Rynsch – Oberhofmarschall“

 

Nun stand dem Unternehmen nichts mehr im Weg, zumal der Aufbau des Theaters und die erste Spielzeit unter der Schirmherrschaft des Fürsten Heinrich XXVII. Reuß j. Linie stehen sollte.

Der Laienschauspielverein holte sich künstlerische Verstärkung vom Reußischen Theater.

Künstlerischer Leiter des Waldtheaters wurde der Hofschauspieler Max Thomas. Damit war auch eine Verbindung zu professionellen Künstlern und zum Geraer Theater gesichert.

Im Juni 1918 forderte man in einem Schreiben über das Hofmarschallamt sieben Soldaten, möglichst Holzarbeiter, vom Ersatzbataillon des Infanterie Regiments Nr.96 auf 14 Tage zum weiteren Aufbau des Theaters an. Um die Verbindung zum Reuß. Regiment Nr.96 weiterhin aufrecht zu halten, beantragte man über das Hofmarschallamt 30 Soldaten, als Mitspieler und Statisten für den „Bruderkrieg“, welche zum ortsüblichen Theatertarif entlohnt werden könnten.

Die erste Spielzeit konnte Dank der begeisterten und spendenfreudigen Geraer mit einem Reingewinn von 1600 RM abgeschlossen werden. Dieses Ergebnis bestärkte den Verein, einen Antrag auf eine Weiterführung des Waldtheaters zu stellen.

Auf Grund des Erfolges und der noch vorhandenen Spendenfreudigkeit der Geraer und auswärtiger Naturtheaterfreunde wurde dies immer wieder von Jahr zu Jahr gestattet. 1919 legte man zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sogar eine elektrische Stromleitung von der Milbitzer Heilanstalt zur Waldbühne.

Nach einigen Jahren Spieldauer mussten Bänke und anderes Inventar infolge von Witterungseinflüssen grundlegend erneuert werden. Nach Angaben des Architekten Gerhard Jahn wurde Zimmermeister Willi Lange beauftragt, für rund 800 Personen neue Sitzgelegenheiten zu schaffen. Dazu ein repräsentatives Eingangsgebäude, zur Landschaft passend, zu errichten, welches 1925 aufgestellt wurde. Deshalb musste der zuvor an gleicher Stelle aufgestellte Verpflegungspavillon (bei den Gerschen als Seltersbude bekannt) weichen und wurde vermutlich als offener Bau mit Überdachung als Loge an der Seite des Zuschauerraumes wieder aufgestellt.

In den folgenden Jahren wurden viele Bühnenaufführungen und Veranstaltungen im Waldtheater durchgeführt. Zur Aufführung gelangten u. a.:

„Der Pfarrer von Kirchfeld“ von Anzengruber, „Preciosa“ von Wolf, „Der Kuckuck“ von Dietrich, ein Märchen „Hänsel und Gretel“, „Sommernachtstraum“ und „Was ihr wollt“ von Shakespeare, „Die Laune des Verliebten“ von Goethe, „Amphitryon“ von Kleist, „Der keusche Lebemann“ von Arnold/Bach, „Das goldene Lachen“ von Marcel und weitere.

Vereine und Gesellschaften veranstalteten im Waldtheater ihre Feiern und Treffen, Sänger- schaften ließen auf der Bühne ihre Lieder erklingen, Musik- und Tanzgruppen unterhielten ihre Zuhörer. Selbst eine Rudolf-von-Laban-Tanzgruppe, die für die damalige Zeit eine neue Tanzform des Ausdruckstanzes verkörperte, erkor sich den Bühnenraum für ihre Aufführungen.

Der Fotograf Reichel fotografierte damals sämtliche Aufführungen und zeigte die Bilder in einem, in der früheren Bahnhofstraße, ausgehängten Schaukasten.

Viele Berichte erzählen über „verregnete Sommer, ungünstiges Wetter und kalte Tage“, die den Spielbetrieb des Theaters sehr ungünstig beeinflussten. Nicht umsonst hieß dieser Bergeinschnitt im Volksmund auch „das kalte Loch“, in dem sich bei ungünstiger Witterung die kühlen Waldwinde sammelten.

Als Heinrich der XXVII. Fürst Reuß.j.L. am 21. November 1928 verstarb, verlor man einen der treusten und aktivsten Mäzene und Befürworter, ohne dessen Unterstützung und Durchsetzungsvermögen es ein Reußisches Waldtheater „Heldendank“ nie gegeben hätte.

Ein Jahr später, am 4. November 1929, starb der 1. Vorsitzende des Reußischen Waldtheaters Karl Weise in der Landesheilanstalt Milbitz. Mit dessen Tod wurde der Waldtheatergemeinde der Kopf genommen. Sein Bestreben war nicht ganz frei von Eigennutz und Vorteilsnahme. Mit dem Waldtheater hatte er sich selbst ein Denkmal geschaffen, welches er zur Verwirklichung seiner eigenen künstlerischen Ziele und zur Entfaltung seiner leidenschaftlich geschriebenen Heimatstücke brauchte.

In den Folgejahren spielte man immer noch weiter, aber die Resonanz war zu gering geworden. Der Reinertrag schrumpfte in den kommenden Jahren auf nur 25 bis 75 Reichsmark jährlich. Dazu forderte die Forstverwaltung kontinuierlich die Begleichung der noch 800 Reichsmark betragenden Schulden für das gelieferte Bauholz vergangener Jahre.

Auch der neue aufstrebende Staat verdrängte damals mit seinen politischen Zielen den alten Geist der Versailler Verträge. Heldengedenkfeiern, Erinnerung an Kriege und Kriegsopfer standen nun, auch in Untermhaus, unter ganz anderen Vorzeichen und nationalen Gedanken.

In einem Brief aus dem Jahr 1933 an die Reuß. Vermögensverwaltung bat der 1. Vorsitzende Albin Hofmann, das Gelände mit den Bauten des Waldtheaters wieder an den Eigentümer zurückzugeben. Man sei nicht mehr in der Lage, diese Aufgabe weiterzuführen und eine weitere Erhaltung und Verwertung käme wegen zu geringer Erträge nicht mehr in Frage.

Danach wurde es still im Waldtheater.

Den Geraern bleibt nur noch die Erinnerung an den Platz, wo vor über 100 Jahren Menschen zusammengekommen waren, die aus Freude an „Kunst und Kultur“ ihren Mitmenschen Unterhaltung boten und den Betroffenen der letzten Kriege ein wenig Unterstützung und Linderung ihrer schweren Schicksale verschafften.


























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