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Vogelsiedlung


(Bernd Rotter, Gera-Untermhaus)


Amselweg, Drosselweg, Elsterweg, Finkensteig, Lerchenweg und Starenweg
 
Fährt man mit dem Fahrrad den ausgeschilderten Radweg von Gera-Untermhaus nach Bad Köstritz am Elsterufer entlang, streift man unweigerlich den Rand einer kleinen Gartensiedlung. Ihre Entstehung und ihren Bau verdankt sie einer der unrühmlichsten Zeiten Deutschlands.
Nachdem die Bombardierung deutscher Städte im 2.Weltkrieg an Intensität zunahm und in den Städten hohe Verluste an Wohnraum nicht mehr ignoriert oder kleingeredet werden konnten, versuchte man mit einem von den nationalsozialistischen Machthabern 1942/43 entwickelten Behelfsheim-Konzept der Wohnungsnot von Luftkriegsopfern eine vorübergehende Entlastung zu verschaffen. 1943 unterzeichnete Adolf Hitler einen Erlass über die Errichtung des Deutschen Wohnungshilfswerkes (DWH). Er war die Grundlage für den anvisierten Bau von einer Million Behelfsheimen in Deutschland. Die Planvorgaben konnten nicht einmal annähernd umgesetzt werden. Doch von 1943 bis Kriegsende kamen in Deutschland immer noch Tausende der sogenannten "Ley-Buden" (nach Reichswohnungskommissar Robert Ley) zur Aufstellung. Die Menge der tatsächlich errichteten konnte nur durch die Einbindung zwangsweise rekrutierter Arbeitskräfte erreicht werden.

 
  
In Gera begann man 1944 mit der Aufstellung der ersten Behelfsheime auf den Schafwiesen und in anderen Stadtteilen. Zu diesem Zweck wurden die noch produzierenden Betriebe in Gera und osteuropäische Zwangsarbeiter von Geraer Firmen mit herangezogen.
Im Untermhaus wurden die Behelfsheime auf dem Gelände des ehemaligen Sportplatzes hinter der Gagfah-Siedlung zur Aufstellung gebracht.
Die Grenze bildete dabei eine Pappelallee, die sich von der Elster bis zum heutigen Schreberheim „Distel“ entlang erstreckte und einen Weg markieren sollte, welcher aber im Zuge der neuen Bebauung nicht zur Ausführung kam. Ein Teil dieser Allee wurde während des Krieges verfeuert, wie alles, was zum Heizen zu gebrauchen war. Die Überreste der Pappelallee sind aber in den 50er Jahren kaputt gegangen.

 
  
Die ersten Häuschen wurden im Amselweg errichtet, der weitere Ausbau der anderen Straßen zog sich bis zum Kriegsende hin, Parzellen, die wegen Materialmangels und anderer Umstände nicht mehr bebaut werden konnten, wurden später als Gärten ausgewiesen und zu entsprechender Nutzung überlassen.
Grundplatten von nicht fertig gebauten Heimen befinden sich noch in den Gartenanlagen oder wurden später mit Gartenhäuschen überbaut. Hinsichtlich der Wohnqualität waren die Behelfsheime für ein Niveau konzipiert, das weit unter dem Mindeststandard lag. Dieses betraf sowohl die Größe des nutzbaren Wohnraums als auch die Verfügbarkeit von Medien, wie Wasser, Abwasser, Strom und Gas. Die Zuordnung von Gartenland sollte lediglich eine gewisse Eigenversorgung der Bewohner mit Lebensmitteln ermöglichen.
 
  
Die „Wohnlauben“ waren nicht für die Dauer gebaut; die NS-Propaganda versprach, dass die „Behelfsheime“ nach dem Krieg wieder verschwinden oder einer anderen Nutzung als Gartenlaube, Schuppen oder Kleintierstall zugeführt würden. Diese Idee bewahrheitete sich jedoch als Trugschluss. Diese Behelfsheime benötigte man aber noch viele Jahre. Erst für die Menschen, die durch Bomben ihren Wohnraum verloren haben und später auch als Auffang- und Flüchtlingsunterkunft für die Menschen, die durch die Neuregelung der Ländergrenzen aus dem Osten ausgewiesen und vertrieben worden sind.
 
  
In den Nachkriegsjahren wurde dann mit Einfallsreichtum und organisatorischem Talent an der Verbesserung der Wohnanlagen gearbeitet. Schuppen und Ställe zur Materialunterbringung und Kleintierhaltung wurden in den Gärten errichtet, um die Eigenversorgung in den schlechten Zeiten zu unterstützen..
Fast an jedem Häuschen gab es kleine Anbauten, um Küche, Sanitäreinrichtung oder Zimmer zu vergrößern, um einen angemessenen und erträglichen Wohnraum zu schaffen.
Viele dieser Behelfsheime haben die Zeit und viele Jahre wegen Wohnraummangels in der ehemaligen DDR in ihrer fast unveränderten Bauweise und Gestaltung überdauert.

 
  
In den ersten Jahren gab es für die Bewohner nur eine Wasserversorgung durch Gemeinschaftsbrunnen, welche an drei bis vier Stellen eingerichtet wurden. Für die „Große Wäsche“ standen die sogenannten Waschhäuser, von denen eines am Eingang zur Siedlung noch vorhanden ist, den Bewohnern zur Verfügung. Ein Stromanschluss bestand aber schon seit Anfang 1944. Mitte der 50ziger Jahre wurde für alle eine Trinkwasserleitung und erst ab 1990 Gas- und Abwasserleitungen verlegt.
 
  
Die Namensbezeichnung der Siedlungsstraßen wurde erst nach 1950 vorgenommen, bis dahin wurden die Straßen mit Nummern 1, 2, 3,.. usw. benannt. Vogelnamen für Straßen in Siedlungen waren damals sehr beliebt und bei einer politischen Veränderung neutral. Eine Ansammlung mehrerer Straßen mit Vogelnamen wurde im Volksmund gern mit dem Sammelbegriff "Vogelsiedlung“ bezeichnet.
 
  
Eine rasante und schnelle optische Veränderung erfuhr die Siedlung in den 90ziger Jahren. Nachdem den Mietern ihre Wohnungshäuschen, so wie Grund und Boden von der Wohnungsgesellschaft zum Kauf angeboten wurde, haben viele Bewohner diese Chance genutzt und mit der Modernisierung und Umgestaltung ihres Wohneigentums begonnen. Doppelhäuschen wurden zusammengelegt um angemessenen Wohnraum zu schaffen, nicht mehr erhaltenswerte Bausubstanz wurde weggerissen, um Platz für die Errichtung neuer Einfamilienhäuser zu bekommen.
 
 
 
Nicht immer haben die neu gestalteten und errichteten Einfamilienhäuser den Charakter des vorhandenen Siedlungscharakters getroffen. Diese andere Art zu gestalten hat aber auch seine positiven Seiten - wegzukommen von der Erinnerung an den Baustil jener Jahre, als Menschen nach Wohnungsverlust durch Bomben und Krieg verzweifelt eine Unterkunft suchten und in Behelfsheimen vorrübergehend eine Bleibe fanden.
Die Vogelsiedlung hat sich in den letzten Jahren zu einem Stück Untermhäuser „Garten-Wohnkultur“ entwickelt, die sicher von nicht von wenigen innerstädtischen Mietern Geras wegen ihrer Ruhe und Nähe zur Natur beneidet werden kann.
 






























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